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Linotypischer Markenterror

     

Seit Jahren kennen wir Linotypes Abmahn-Aktionen gegen Font-Designer, vor allem gegen diejenigen, die ihre selbstgemachten Fonts kostenlos im Internet dem Rest der Welt zur Verfügung stellen. Exemplarisch: Linotype gegen Dieter Steffmann. Im Standardverfahren beruft sich Linotype meist auf Markenschutzrechtverletzungen. Alle Appelle an Linotype, nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, wurden ignoriert. Statt sofort Abmahnung nebst Unterlassungserklärung per Anwalt an die Betroffenen zu schicken (und dafür auch noch Geld zu verlangen!), wurde ad nauseam vorgeschlagen, einen kostenlosen Hinweis auf etwaige Namens-Kollisionen zu mailen. Ohne Resonanz.

Das deutsche Markenrecht dient der Gewährleistung gewerblicher Schutzrechte. Dank Internet haben aber auch Menschen ohne jegliches kommerzielles Interesse eine Plattform, um Produkte, Ideen, Kunstwerke etc. kostenlos anzubieten. Erstaunlicherweise wird das Markenrecht benutzt, um das Verschenken von Dingen so mühselig und teuer wie möglich zu machen! Im Klartext: wer einen Font macht und ihn kostenlos abgeben möchte, tut gut daran, vorher Tausende von "Marken" zu überprüfen, ob er eventuell einen schon existierenden Font-Namen für sein Opus erwischt hat. Falls nicht, geht er am besten gleich zum Anwalt und fragt präventiv an, ob der von ihm gewählte Font-Name "verwechslungsfähig" sein könnte mit einem bereits geschützten Font-Namen. Bis er zum Verschenken kommt, kann er auf diese Weise schon eine Menge Geld ausgeben.

Nimmt der gebefreudige Font-Designer dieses Kreuz nicht auf sich, wird er spätestens nach Release seines Fonts von Firmen wie Linotype zur Kasse gebeten - solange sich eine wie auch immer geartete Ähnlichkeit zu einem markenrechtlich geschützten Font-Namen konstruieren lässt.

Natürlich, werte Linotypen, müsst ihr eure Interessen wahren und höllisch aufpassen, dass euch keiner die Butter vom Brot klaut! Schützt und wahrt, so aktiv ihr nur könnt! Aber: da es offensichtlich ein Grundrecht auf das Profitmachen gibt, bestehen wir auf das Grundrecht des Verschenkens. Und das Verschenken von Dingen darf nichts kosten, richtig?

Deswegen zum letzten Mal in aller Deutlichkeit: im Falle von Namens-Duplikaten oder verwechselbaren Namen reicht eine E-mail an den Font-Designer mit der Bitte um Namensänderung. Es sei an Fonthead's Schrift Democratika erinnert, die Emigre zu Recht monierte und die daraufhin zu Americratika umbenannt wurde. Ohne großes Tamtam!

Unter den vielen freien Fontmachern, die ich kenne, ist kein einziger, der auch nur entfernt ein Interesse daran hätte, Linotypes Profit zu schmälern. Sie arbeiten mit Engagement und Begeisterung aus reiner Freude am Tun. Wir tolerieren die abenteuerlichsten Font-Erfindungen und akklamieren noch die schrägsten Ideen, weil wir diesen Enthusiasmus und die Großzügigkeit sehr schätzen. Aber wir tolerieren es nicht, wenn uns ein paar kommerzielle Quadratschädel den Spass verderben wollen, mit Verlaub. Dazu gehört, Leute mit Anwälten und Drohbriefen und Geldforderungen zu erschrecken und zu ruinieren. Wie wäre es mit Zuckerbrot statt Peitsche?

Wir haben festgestellt, dass gerade Linotype in einem wahren Schutzrausch bisweilen arg daneben gegriffen hat. Das Markenschutzgesetz listet in § 8 ein paar entzückende Schutzhindernisse auf, gegen die Linotype verstoßen haben könnte. Das heisst, das Schutzrecht für diese jeweiligen Font-Namen könnte anfechtbar sein. Schießen wir doch mal zurück!

Brauchbare Munition liefert z.B. die laut FontExplorer von Linotype eingetragene Marke "Egyptienne":

Es gibt eine DIN-Norm 16518 für die Einteilung von Schriften. Dort finden wir als Untergruppe der Serifenbetonten Linear-Antiqua die Egyptienne. Derartige Gattungsnamen können grundsätzlich nicht als Marke eingetragen werden. So dürfte VW z.B. nicht ein neues Fahrzeug als "Personenkraftwagen" schützen lassen, da der Begriff nicht eindeutig zuzuordnen ist. Aber vielleicht kennt sich Linotype nicht so gut aus in der Schriftklassifikation? Ein Versehen?

Nein! Nach ergebnislosen Recherchen teilte Linotype auf unsere direkte Nachfrage mit, dass Egyptienne nicht registriert ist, nur Egyptienne F ist eine geschützte Marke. So ganz zulässig ist das nicht, Linotype!

Wer immer eine Abmahnung von Linotype erhält, sollte darum prüfen, ob die so aktiv verteidigte Marke überhaupt eine ist und wie es um ihre Schutzwürdigkeit bestellt ist. Es gibt eine ganze Reihe windiger Eintragungen, die einer genauen Überprüfung kaum standhalten dürften, aber diese Überprüfung ist mit Kosten verbunden. Da die freie Font-Welt nicht am "geschäftlichen Verkehr" teilnimmt und meist keinen Cent übrig hat, sind die Mittel für derlei Aktionen schlicht nicht verfügbar.

Und, liebe Linotypen, falls ihr es wieder nicht merkt: ihr werdet hier nicht diffamiert, sondern nur zu mehr Kooperation aufgefordert.

Links zum Thema:

Luc's article: Linotype Terror 2002

Linotype - list of trademarks

Heidelberger Druckmaschinen AG - list of trademarks

Markenschutzgesetz

Freedom for Links.de - Initiative gegen den Abmahnwahn

 
Dieter als Zielscheibe
 

Nachdem Linotype ihm seit mehreren Jahren im Genick sitzt, ist Dieter Steffmann aufgrund einiger Markenrechts-Recherchen nun der Ansicht, dass Linotypes Rechte an Eckmann und ITC Flora anfechtbar sein könnten. Die jüngste Lino-Aktion: sie verlangen 5000 Euro "Strafe" von ihm wegen einer Markenschutzrechtsverletzung.

Eine Darstellung der möglichen juristischen Problematik würde uns an dieser Stelle in den Dschungel des Urheber- und Markenrechts führen, deswegen sei hier nur erwähnt, dass sowohl für Eckmann als auch für ITC Flora die Entscheidung eines Gerichts erforderlich wäre, um festzustellen, welche Rechte bei Linotype liegen.

Da so ein Verfahren mit hohen Kosten verbunden ist, können wir es uns einfach nicht erlauben. Recht ist teuer! Aber man kann es kaufen:

In den U.S.A. existiert ein spezielles Mickey Mouse Copyright, der Sonny Bono Copyright Term Extension Act. Disney erreichte - vermutlich durch eine hübsche Wahlkampfspende - eine Verlängerung der Schutzfrist auf 70 Jahre bis nach dem Ableben des Urhebers. Der Guardian berichtete darüber und hier gibt es weitere Informationen zum Widerstand dagegen.

 
Fazit
 

Da Geld nun mal die Welt regiert und besonders Abmahner wie Linotype unermüdlich versuchen, das Internet zu kommerzialisieren, liegt unsere kostengünstigste Chance in der Tatsache, dass freie Font-Designer nicht am geschäftlichen Verkehr teilnehmen. Mit diesem Argument kann man sich ggf. dagegen wehren, wegen Verstoß gegen gewerbliche Schutzrechte belangt zu werden.

Eine grundsätzliche Lösung könnte die Initiative von ICANN sein, das Internet in einen privaten und einen kommerziellen Bereich aufzuteilen, damit sich beide Gruppen nicht in die Quere kommen. Des weiteren zerbrechen sich schon einige Leute den Kopf über eine Internet-Rechtsschutzversicherung, mit der man als Betroffener entspannt den Anwälten das juristische Ping-Pong überlassen könnte.

Aber das ist Zukunftsmusik gegenwärtig empfiehlt sich allenfalls Widerstand im konkreten Einzelfall mit begleitenden publizistischen Maßnahmen wie hier demonstriert. Für die hartgesottene Spaßfraktion bleibt noch die Freude an kreativen Fontnamen wie z.B. Waterlinoo, Katzkade, Verblümte Initialen oder Klecksmann, um etwas Farbe in das Heidelberger Einerlei zu bringen ;-)

 
CybaPee (mit professioneller Unterstützung von Michael Heng)