Warum?
     

Es gibt inzwischen über 60 000 Fonts im Web. Der Quantensprung vom Foto- zum Computersatz vervielfältigte die wackere Schar der fleißigen, wissenden, begabten und teils hochgeehrten Schriftkünstler um ganze Heerscharen bis dahin unbekannter Typografen und Designer, die nun - seit 1990 etwa gibt es Postscript Type One und Truetype für jedermann - sich ebenfalls der Werkzeuge zum Schriftenmachen bedienen.

Nun nicht mehr mit Richtscheit, Zirkel und Lineal, wie Albrecht Dürer dies in seiner berühmten Abhandlung benannte, sondern mit Maus, Fontographer, Großbildschirm, viel Elan und wenig Ehrfurcht vor dem Erbe der Vorgänger - von Gutenberg bis Gerstner. Im Gegenteil: Was diese Künstler mustergültig in Jahrhunderten schufen, zerzausten viele der neuen Fontdesigner, sie dekonstruierten und setzten vieles neu zusammen zu neuen Zeichen. Das erste große Fontlaboratorium entstand so auf Tausenden von Computertischen, aber über alle Erdteile und Hautfarben hinweg.

Wir haben eigentlich keinen Grund, den Legionen professionell brauchbarer bis hochwertiger Schriften immer noch weitere hinzuzufügen. Es sei denn, wir halten es einfach mit Adrian Frutiger, der einmal auf die Frage, warum so viele Schriften? antwortete: "Es ist so wie mit dem Wein. Eigentlich braucht man nur eine gute Sorte. Aber wenn ich in einem Gasthaus bei einem guten Essen sitze, und der Wirt zeigt mir eine große Weinkarte, dann ist es schön, unter vielen Angeboten wählen zu können und einen unbekannten, überraschenden

 

neuen Geschmack zu entdecken." Gäbe es diese Freiheit nicht, kämen wir mit einer DIN-Norm-Einheitsschrift aus, trügen alle die gleichen grauen Anzüge, liefen mit grauen Gesichtern durch einen grauen Alltag.

Ich war um 1986 auf einem Grafik-Meeting der Stempel-Gießerei, einer Tochter der Linotype, als deren Chef sich wunderte, dass der Vortragende, Erik Spiekermann, soviel farbige Typografie zeigte, denn damals war Typografie eigentlich immer noch eine schwarze Kunst. (Ich selbst lernte diese noch 1947 mit dem Winkelhaken, genau, wie einst Gutenbergs erste Gesellen). Der Computer auf dem Zeichentisch hat dieses Herrschaftswissen tatsächlich demokratisiert. Heute kann jeder, ob er es kann oder nur erst einmal versucht, selber gestalten und selber entdecken.

Zeit ist es nun, Schrift und Typo zu entwickeln und zu entdecken, die Gestaltung und Kommunikation mit unseren alphabetischen Zeichen weiterbringen. Mit Entwürfen und Ideen, die Typen, Zeilen oder Seiten im Druck oder im Web als Blickfang oder Schlüsselbild benutzen. Es gilt, wieder Unerwartetes zu versuchen, zu überraschen, wie mit einem guten neuen Wein. Dazu gründet TypoAsis heute die Initiative Playground. Alle sind eingeladen, mitzumachen und zum Gelingen beizutragen. Auch mit Vorschlägen und Ideen. Es lebe die schwarze, farbige Kunst, und alle Typen als Bausteine der visuellen Kommunikation.

 
   
Einführungstext von Manfred Klein