Angenommen, die Germanen hätten ihre Kultur ohne römischen Besatzungsterror und kirchliche Diktatur weiter entwickeln können, was wäre aus den Runen geworden?

 
 
Möglich: Latinisierte Runen-Capitalis
 
Germanen waren ein eher bodenständiges Volk aus Bauern und Handwerkern. Was z.B. Kimbern und Teutonen aus ihrer angestammten Heimat Skandinavien auf Wanderung trieb, waren pragmatische Gründe wie Landmangel, karge Ernten und zu kalte Winter, weniger die Lust auf Abenteuer oder Eroberung. Wohin sie auch kamen, ihre erste Frage galt den Siedlungsmöglichkeiten in der jeweiligen Region und sie hätten lieber Dörfer errichtet als Römer zu bekämpfen.
 
Runish MK (2002)
 
Gleichwohl schätzten sie ihre Freiheit und Selbstbestimmung über alles. So duldeten die frühen Germanen nur in Kriegszeiten einen Heerführer, ansonsten lebten sie lieber selbst-organisiert ohne König oder Führungskräfte. Bei dieser Einstellung muss die römische Okkupation Germaniens den Einwohnern doch erheblich missfallen haben.
 
 
GerManish , Manfred 2003
 
Wären die Römer also weniger frech geworden in Deutschlands Norden (simserim &), hätten sich vermutlich rege Handelsbeziehungen zwischen Germania und Rom entwickelt. Die Römer waren sehr erpicht auf germanisches Blondhaar und Bernstein, beides germanische Exportschlager. Zum Abwickeln der Geschäfte wäre eine gemeinsame Schrift erforderlich gewesen und unter diesen Bedingungen hätte sich wahrscheinlich eine latinisierte Runen-Capitalis entwickelt.
 
 
The Roman Runes Alliance, Manfred 2003
 
 
Futharken
 
Runen mit Serifen - Futharken by Morten Bek
 
 
zur Erinnerung: Manfreds Kapitalis Rustica (2002)
 

Die verschiedenen Funktionen der Runen Zauberzeichen für Rituale, Schriftzeichen zum Festhalten von Informationen und Vereinbarungen, Lautzeichen zur Sprachvermittlung wären getrennt worden, um den divergierenden Anforderungen zu entsprechen.

Da die Römer sich in religiöser Toleranz übten und vorsichtshalber in der Fremde auch selbst zu den jeweiligen lokalen Gottheiten beteten, wäre die germanische Naturreligion zunächst erhalten geblieben. In den heiligen Hainen wären mit Runensteinen die Orakel geworfen worden und es ist denkbar, dass gerade diese Steine einen künstlerischen Veredelungsprozess durchlaufen hätten. Blattornamente oder bildhafte Darstellung der Bedeutungs-Symbolik sind denkbar:

 
    
 

RuneStones (Manfred, 2003)

 
Der Einfluss der jüngeren römischen Kursive und die Anforderungen des hektischen Geschäftslebens hätten sicher die Entstehung einer runischen Minuskel-Handschrift gefördert, was uns Wulfilas Schrift bestätigt.
 
RuniK (2002) + RunesWritten (Manfred 2003)
 

Zusätzlich gelangte durch die frühchristliche Kultur das Prinzip der Rundung aus dem Orient nach Rom und löste den Formenwandel abendländischer Schriften aus. In einem liberalen Klima ohne Religionsquerelen hätten die schönsten Ornamental- und Handschriften entstehen können. Eine Ahnung von den friedlichen Resultaten west-östlicher Begegnung ermöglicht uns die Westgotische Schrift Spaniens, der man die Eleganz arabischer Schreibkunst ansehen kann.

 
Westgotische Schrift, Spanien, 8. Jh.
 
Wie auch immer, friedliche diplomatische Beziehungen zwischen Römern und Germanen hätten gewiss auch einen kulturellen Entwicklungsschub ausgelöst: teutonischer Nachwuchs hätte frühzeitig schreiben gelernt, Werke des Altertums gelesen und vermutlich ein demokratisches Staatswesen organisiert. Eine Kooperation zwischen Römern und Goten hätte das wackelnde Imperium wieder auf die Beine gebracht und die katholische Kirche als Staatsmacht verhindert. Dank Freiheit des Glaubens könnten wir heute noch auf liebevoll gehegte nationale bzw. regionale Handschriften und Dokumente aus alten Zeiten zugreifen!
 
 
RunishQuill (Normal+Medium), Manfred 2003
 

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