Interview: Die Werkstatt

Herr Koch, Ihr Konzept des Dienens ist entweder reinstes Christentum oder es resultiert aus dem Bedürfnis nach stabilen, tragfähigen Strukturen, die nach dem Sturz ins Bodenlose Halt geben sollten. Könnte das nicht der Grund für die Werkstattgründung gewesen sein?

Lassen Sie mich dazu Meister Eckhard zitieren: Hingabe geht nimmer fehl. Auch wenn die Psychologen das heute anders sehen mögen.
Die im Krieg erlebte Kameradschaft machte mir bewusst, dass die Gemeinschaft ein großer Inhalt meines Lebens war. In den unruhigen Jahren nach dem Kriege wurde mir die Not unserer armen Kunstgewerbeschüler immer gegenwärtiger. Im Frühjahr 1921 konnte ich endlich in den Technischen Lehranstalten die Werkstatt einrichten und meinen Schülern helfen.

Wie brachten Sie Ihre Lehrtätigkeit mit den Verpflichtungen bei Klingspor und Ihren sonstigen Interessen in Einklang?

Ich steigerte meine Leistung mit allen Kräften, und vor meinem Geiste standen alle Menschen, die die höchsten Forderungen an mich stellten. Ich habe es früher nicht gewagt zu hoffen, dass soviel von mir verlangt werden würde, und ich wollte immer noch mehr erfüllen. Aber mein Verantwortungsgefühl gegen Frau und Kinder verringerte sich zusehends. Ich konnte nichts dafür. Ich machte es mir doch nicht bequem. Mein Leben wurde immer leerer, 1922 war es schon keins mehr. Nur Hervorbringung, nur Arbeit, gar kein Genuss mehr außerhalb dessen.

Die Konsequenz hieß vermutlich, Prioritäten zu setzen und Arbeiten zu delegieren?

Viel mußte ich aus der Hand geben, es waren dann nur noch Aufträge. Die Gegenstände, welche die Werkstatt fertigte, waren kühler, eben ein Auftrag, ein anderes Wesen - nicht so bewegt wie ich. Ich habe die Dinge hergeben müssen, sonst wäre ich nur ein vereinzelter Künstler geblieben, der sein eigenes Wesen treibt und an Hochmut und Eitelkeit nicht vorbeikommt. Da habe ich gemerkt, dass ich kein Künstler bin, sondern ein Lehrer, ein Schulmeister.

Aber, Herr Professor! Das ist nun wirklich stark untertrieben. Erinnern Sie sich an Ihre Florenzreise? Wie stark Sie auf die künstlerischen Eindrücke reagierten, auf die nie zuvor gesehenen Wunder italienischer Kunstwerke? Sie hätten Rilke folgen sollen:

Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand,
gib mir Gewand.

Laß dir Alles geschehen: Schönheit und Schrecken.
Man muß nur gehen: Kein Gefühl ist das Fernste.
Laß dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.

Mag sein, dass ich dafür zu sehr Deutscher war. Es sollte immer eine Sehnsucht übrig bleiben beim Ringen um die Verbildlichung der inneren Vision. Ich konnte in Goethes Lyrik schier ersaufen, die italienische Kunst versetzte mich in inneren Aufruhr, aber bis an der Sehnsucht Rand zu gehen? Ich war ja eigentlich ein Stümper und ein Stammler. Mit Zittern und Zagen nahm ich das Werkzeug in die Hand. Wie konnte ich mich da bis an den Rand wagen? Schon Nietzsche sagte, wer den Abgrund liebt, muss Flügel haben!