Manfred Klein - das Interview
 
1) Ausbildung und Beruf
2) Günter Gerhard Lange
3) Kleins Fonteria
4) Familie und Philosophie
 
Manfred @ typOasis
 
 Wie ging es nach der aufregenden GGL-Zeit beruflich weiter?
Der Sprung von 1950 bis 1985 war eher auf Inhalte als auf Design bezogen. In der AEG Zentrale war ich u. a. an der Corporate Design-Entwicklung beteiligt, aber doch überwiegend mit Kundenberatung. Kontakter bei Heumann wurde ich, als ich es in der Großindustrie nicht mehr aushielt.
Bis 1982 überließ ich die visuelle Gestaltung gern den Kollegen vom Layout, Art Director usw. Es ist schön, wenn man deren Arbeit einfach akzeptieren kann. Meine Basisleistung waren die Entwicklung von Konzeption, Strategie und aller Texte für ein Projekt - die ADs akzeptierten mich aber immer als Gleichen, wenn es um Designprobleme ging - damit hatte ich eine Sonderstellung gegenüber anderen Textern und Kontaktern. Bildideen waren Teil einer werblichen Botschaft: Texter durften sie beschreiben, mussten aber nicht zeichnen.
 
 Du hast in den achtzigern die DTP-Revolution erlebt, welchen Einfluss hatte die Digitalisierung auf deinen Beruf und dein Font-Design?
Bei manchen meiner Zeichen stelle ich mir vor, dass ich sie groß auf die Leinwand übertragen sollte. Aber Öl, Aquarellfarben und Pinsel habe ich 1986 aus der Hand gelegt, als ich den Macintosh auch als ein typografisches und künstlerisches Werkzeug begriff. Damals schrieb ich sofort, dass hier wohl etwas entstand, das der grafischen Industrie bald zu schaffen machen würde, weil, wer Times und Helvetica auf einem Laserdrucker :typografisch korrekt9 abbilden konnte, dies bald auch mit vielen anderen Schriften und in Profi-Qualität könne. - Es gab Kollegen, die mich und mein Mäusekino (Mac) belächelten - viele Betriebsinhaber aber überstanden die folgenden 10 Jahre der DTP-Revolution nicht.

Mit eigener typografischer Arbeit fing ich erst richtig nach 1982 wieder an, nachdem ich aus privaten Gründen meine Agentur an Ogilvy verkauft hatte (heute Ogilvy Focus). Ich zog mich von zahlreichen alten und neuen Kunden zurück, weil mir bestimmte Kompromisse missfielen, die man als kreativer Zulieferer vornehm: Consultant immer wieder machen soll. Da das Geld reichte, konnte ich sagen, »Es war nett mit Euch, aber jetzt will ich etwas anderes machen & «.

 
  Zunächst arbeitete ich nach alter Art mit Papier, Kleber und Montage für Stempel / Linotype, später für Monotype. Ich fing wieder an, regelmäßig zu schreiben: Kolumnen wie TypoNews für den Druckspiegel, aber mit Aufkommen des Macs 1986 auch im digitalen typografischen Bereich, z. B. als erster in der PAGE, Macup-Verlag, Hamburg. Bis ich mich etwa 1990 zurückzog.
Nebenbei war ich Co-Autor bei zwei Typobüchern, z.B. :DTP, Typografie und Layout9 mit Hans D. Baumann, Falken-Verlag.
     
 Wie schaffst du es, täglich neue Fonts zu produzieren?
Ich mache so etwa seit 1990 Fonts und habe bis 2001 hauptsächlich :auf Halde9 gearbeitet. 1991 wurden die ersten bei FontShop und anderen veröffentlicht. Ich habe über die Jahre alles probiert, was mit Software möglich ist. Das schafft eine unglaubliche Routine. Und ich habe einige Hundert Fonts angefangen und weggelegt, das ist eine Menge Rohmaterial. Deshalb geht das manchmal so schnell. Außerdem war ich schnelles, präzises Arbeiten gewöhnt. Und natürlich sehe ich auch immer mal einen Font, aus dem man mit ein paar Handgriffen etwas völlig anderes machen kann.
Aber auch meine Einstellung zur Typo hat sich verändert: Ich will nicht sklavisch die alten Vorlagen kopieren (oder scannen), ich erkenne meine Chance, manche alten Dinge anders aussehen zu lassen, so dass sie leichter auch den jüngeren Gestaltern in die Augen fallen von den Profis bis zu den Liebhabern. Und das Format Font begreife ich als einen Behälter wie einen Eimer, der eben nicht nur Wasser aufnehmen kann.
Kleins TypeSoup
Zapf hat uns allen mit seinen Dingbats gezeigt, dass :Font9 auch ein bildnerisches Medium sein kann wie eine Leinwand oder ein unbearbeiteter Stein. Tinguiley zeigt mir, dass man aus :Schrott9-Teilen auch ganz neue, kreative Gebilde schaffen kann, die für die einen Kunst sind und die andere verabscheuen.
     
Zum einen hast du das technische Know-how sowie langjährige Erfahrung mit deinen Tools, zum anderen ist dein Einfallsreichtum schier unglaublich, kannst du den erklären?
Es ist eigentlich sehr einfach:
Du musst die alten Meister studieren und achten. Als ich mir ausgerechnet als erste Designarbeit die Gutenberg für die 42zeilige Bibel vornahm, war ich mit den Scans nicht zufrieden. Ich nahm die schwammigen Scans als Anhaltspunkt, stellte mir aber vor, dass der Alte in Mainz und später der Koch in Offenbach scharfe, eckige Zeichen erarbeitet hatten. So sollte meine Johannes G auch aussehen.
 
Johannes G, erhältlich bei Fontshop
 
freier Font: Gutenbergs Ghost

 

Versuch immer, neue Dinge auf neue Art zu kombinieren: Die Zeichen, oder Teile der Zeichen, mit Werkzeugen bearbeiten, die immer auch Optionen enthalten, von denen viele Leute nie Gebrauch machen, teils wegen technischer Mängel, teils, weil diese neuen Metazeichen nicht mit ihrem (linearen?) Denken harmonieren. In Wahrheit musst Du einfach erfinderisch denken, oder auch künstlerisch, obwohl ich dieses Wort lieber durch :kommunizierend9 ersetze.
 
Du kannst Kreativtechniken lernen. Statt logisch schlusszufolgern, musst Du Geschichten erfinden, die möglichst überraschend und glaubwürdig das erzählen, was Marketingleute nicht ausdrücken, die Zielpersonen jedoch verstehen können. Nicht logisch, sondern assoziativ, also quer denken. Wenn das doch bloß einige Politiker mal übten! (Brandt und Bahr hatten was davon, aber sie waren Journalisten.)

Font: Headfeeters Three
 
Doch die Technik kann man lernen: Immer sofort in Alternativen und neuen Zusammenhängen denken: Collage mit Schädel und Bein, irre, geht! Siehe Kopffüßler usw.
 
   
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