Manfred Klein - das Interview
 
1) Ausbildung und Beruf
2) Günter Gerhard Lange
3) Kleins Fonteria
4) Familie und Philosophie
 
Manfred @ typOasis
 
 
 Wie hält deine Familie das Leben mit einem Typomanen aus, der »nur noch das tut, was ihm Spaß macht«?
Das habe ich oft genug selbst gesagt. Es wird wohl toleriert. Ich habe nie missioniert, schon gar nicht meine Kinder. Allerdings habe ich sie beide in den späten 80ern auf die Chancen im IT (Design, Druck) und Web ausdrücklich hingewiesen. Katrin hat ja dann auch nach ihrer Architekten-Mutterpause 10 Jahre später davon Gebrauch gemacht.
Oliver, bald 33, versucht jetzt in einem Halbjahrespraktikum bei Bates, einer starken US-Agentur, Erfinderin des USP (unique selling proposition), seine Startversuche in Werbung und Filmproduktion kombiniert fortzsetzen. Trotz seiner Computerphobie fängt er dort gerade an, Filme schneiden zu lernen, nach Filmkonserven themenorientiert zu forschen usw. - hoffentlich findet er so endlich den Platz, der zu ihm passt.
 
 
Katrin
 
Olivers Bats
 
Deine Enkel Karla und Laurens scheinen auch Typo-Gene zu haben?
Ich hatte erst Karla eingeladen, weil sie gerade mit der Schule anfing und immer noch begeistert ist vom Lernen dürfen. Und habe sie ganz spielerisch herangeführt, gefragt, ob sie nicht mal versuchen wolle, auch Buchstaben mit der Maus auf den Monitor zu malen. Voraus ging der Font mit ihren Zeichnungen. Sie machte es voller Begeisterung in einem Zug - ich verzichtete gern auf die Sonderzeichen.
Als du ihren Font Karlas ABC-Start ins Netz gestellt hattest, begriff auch Laurens (10), dass er so etwas in die ganze Welt schicken könnte. Das war wohl sein Motiv, es dann ebenso zu machen. Er war ähnlich begeistert, obwohl er ja schon ganz schön »cool« ist. Ich kann mir vorstellen, dass Design incl. Typo ein Samen ist, der hier in die Kinderseelen gepflanzt wurde. Aber auch, dass es sie ganz woanders hintreibt.
 
Der Vater, Claus Dillmann, ist freier Musiker und Musiklehrer, hat bisher mit seiner Kunst bei beiden keinen Widerhall gefunden, aber Karla will irgendwann Gitarre lernen - wie es auch ihre Mutter tat, die außerdem Saxophon lernte - und dabei ihren Mann traf.
 
Wie siehst du heute - als geschätztes Mitglied der internationalen Font-Gemeinde - deine Typo-Begeisterung?
Möglicherweise denke ich typografisch eher amerikanisch als deutsch, jedenfalls hat mich der kreative Pragmatismus :meiner9 Amis auch sehr beeinflusst. Und ein wesentliches Motiv meiner Typomanie ist therapeutisch zu sehen. Ohne solche Arbeit wäre für mich längst das Leben unerträglich geworden. Wenn ich hier sitze und schreibe, oder Typo male, bleibt dieser Alltag immer ausgeschlossen, sogar die Kopfschmerzen und andere Malaisen.
 
Abgesehen von der heilsamen Kreativität - wie ist es möglich, der Schrift zu verfallen wie wir es tun? Liegt es an der Schönheit und Ästhetik, der Vielfalt, mit der uns die 26 Buchstaben immer wieder begegnen? Oder liegt es an der magischen Synthese aus Geist und Materie? Ich selbst bin fasziniert von der Ausdruckskraft einer Schrift, von der Botschaft, die sie mitbringt, ohne dass ein sinnvoller Text mit ihr geschrieben wird.

Buchstaben, Zahlen und Symbole sind Atome und Moleküle unseres geistigen Lebens, Medien, um Botschaften zu empfangen und zu senden. Für einige kunstinteressierte Menschen sind sie wichtiger oder interessanter als das, was in der breiten Gesellschaft als Kunst erlebt wird. Vielen bildenden freien Künstlern ist das durchaus bewusst. Für Normalos ist Typo ein neu entdecktes Kulturgut - wie schön. Um vernünftiges, humanes Denken zu verbreiten, braucht es auch künftig nicht nur Sprache, sondern auch Typo. Ist doch klar!
 

Parma Petit Caps Italic. Zitat: Prof. Willberg
 
Meinst du, es sind noch echte Novitäten möglich wie weiland die Sans? Oder gehörst du auch zu den Pessimisten, die die Kunst des schriftlichen Ausdrucks dahinschwinden sehen - angesichts von E-Mail, Pixelfonts und Online-Texten?
Der Computer, Postscript, Internet und "Globalisierung" haben eine Reihe von Kulturrevolutionen ausgelöst, die auch das Verständnis für Schrift durcheinander wirbelten. Ein klarer See wurde in eine schlammige Sumpflandschaft verwandelt. Alle alten Regeln und Werte werden infrage gestellt, durch viele widersprüchliche neue ersetzt. Laien dürfen typografieren das Herrschaftswissen Weniger ist beendet, sehr viele Menschen, die immer gelesen, aber Schrift kaum wahrgenommen haben, entdeck(t)en ein Kulturgut Design wie bei Bestecken oder Stühlen.
 
Irgendwann wird sich dieser kulturelle und typografische Sumpf sicher wieder klären, wird es wieder allen darauf ankommen, klar, schnell und einfach zu kommunizieren und das wird auch die Schriftkultur beeinflussen. Was immer sich an Neuem entwickeln wird, in diesem Teil der Welt wird es auf den alten römischen Versalien und auf Carolus Minuskeln aufbauen. Wir können uns ja in hundert Jahren ein Bild davon machen.
 
Da sehe ich unsere Font-Gemeinde auf Wolke 7 sitzen und statt Lieder zur Harfe singen wir Font-Rezensionen ;-)
Herzlichen Dank für dieses spannende Interview und die typographische Historie!
 
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