Interview: Bei Klingspor
Die relativ unbekannte Rudhardsche Gießerei war seit 28. Juli 1892 im Besitz von Karl und Wilhelm Klingspor und wurde unter der Führung Karl Klingspors zu einer Gießerei von Weltruf. Wie kamen Sie mit Ihrem Chef zurecht?
Karl Klingspor war der erste Schriftgießer, der Künstler zum Entwerfen von Druckschriften heranzog
Entschuldigen Sie die Unterbrechung, aber wir reden hier von Meistern der deutschen Schriftgeschichte wie Peter Behrens, Otto Eckmann, Heinz König, Otto Hupp und Walter Tiemann!
Ach, wissen Sie, der Weltenruhm ist ein Wiesenblum. Wenn ich brauchbare Schriftentwürfe geschaffen habe, so ist das eng verknüpft mit der Persönlichkeit Karl Klingspors, dessen Urteilskraft bei jeder Arbeit, die ich für dieses Haus geschaffen habe, wesentlich mitgewirkt hat. Meine Verbundenheit mit dem Hause Klingspor ging weit über geschäftliche Fragen hinaus, und ich suchte nie andere Beziehungen.
In der ersten Zeit war ich mir allerdings nicht sicher, ob meine Arbeit für die Firma von Nutzen sein könnte. Ich erwartete oft meine Entlassung, aber statt dessen kam 1908 die Entscheidung, mit dem Schnitt meiner Deutschen Schrift zu beginnen!
Was war Ihre erste Aufgabe im Hause Klingspor?
Ich hatte einige Entwürfe für eine Frakturschrift gemacht und Karl Klingspor forderte mich auf, sie zu einer Druckschrift auszuarbeiten. Zwischen 1906 und 1910 schufen wir in engster Zusammenarbeit die Deutsche Schrift und ich lernte den Formensinn und das tiefe künstlerische Verständnis Karl Klingspors zu schätzen.
Karl Klingspor war bei allem Verständnis für die Kunst vor allem Geschäftsmann. Führte das nicht zu Konflikten?
Wir hatten oft Auseinandersetzungen, bei denen die Funken sprühten! Natürlich mußte er den wirtschaftlichen Nutzen und den potentiellen Markterfolg einer Schrift im Blick haben. Ich kämpfte stets um meinen schöpferischen Freiraum, musste aber immer wieder Kompromisse schließen, die sich später dann als notwendig und richtig erwiesen. Der Erfolg gab Karl Klingspor am Ende Recht.
Haben Sie und Ihre Mit-Künstler im Hause Klingspor diese Berücksichtigung wirtschaftlicher Erfordernisse nicht als Einschränkung empfunden?
Wir wären auch nicht zufrieden gewesen, wenn wir uns nur in seltenen Handschriften und kostbaren Drucken hätten ausdrücken dürfen, es genügte uns nicht, wenn ein paar Liebhaber und Freunde der Künste ihre Lust hatten an unseren Werken, wir wollten in die Weite und die Breite dringen, unsere kleinen, gegossenen Buchstaben redeten auf dem geringsten Zettel unsere Sprache, in Millionen und Milliarden von Abdrücken wurden die Spuren unserer Arbeit in die fernsten Winkel unseres Vaterlandes und über die weiten Meere getragen. Wir waren Handwerksleute und hatten dem Tag zu dienen und unmittelbare Bedürfnisse zu befriedigen.
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